„Industrie 4.0“ bezeichnet eine Entwicklung, die mit den zurückliegenden Revolutionen der Mechanisierung (erste industrielle Revolution) und dann nach Foreman mit der Massenproduktion (zweite industrielle Revolution) und Automatisierung (durch Einsatz von Elektronik und IT) in einem Zuge genannt wird.
Blickt man in die Umsetzungsempfehlung des grundlegenden Dokumentes aus 2012 wird der Begriff von Kagermann, Wahlster und Helbig wie folgt umschrieben:
„Ein Kernelement der Industrie 4.0 ist die intelligente Fabrik die Smart Factory. Sie zeichnet sich durch eine neue Intensität sozio-technischer Interaktion aller an der Produktion beteiligten Akteure und Ressourcen aus. Im Mittelpunkt steht eine Vernetzung von autonomen, sich situativ selbst steuernden, sich selbst konfigurierenden, wissensbasierten, sensorgestützten und räumlich verteilten Produktionsressourcen (Produktionsmaschinen, Roboter, Förder- und Lagersysteme, Betriebsmittel) inklusive derer Planungs- und Steuerungssysteme.“ (vgl. Kagermann, Wahlster und Helbig (2012) S. 12).
Zur Begriffserläuterung und -abgrenzung soll der Bezug zum bekannten Fachbegriff wie CIM (Computer Integrated Manufacturing) geschlagen werden. CIM strebte in den 70er Jahren an, alle fertigungstechnischen Arbeitsabläufe und alle betriebswirtschaftlich-organisatorischen Steuerungsaufgaben in einem geschlossenen Gesamtsystem zu integrieren. Das Ergebnis sind die heute bekannten ERP-Systeme, mit denen man die Dispositions- und Produktionsprozesse steuern und abbilden kann.
Mit zunehmender Dezentralisierung und vernetzter Zusammenarbeit werden diese geschlossenen Lösungen bekannterweise auch via Internet miteinander verbunden und dezentral in den Maschinen mit IT-Technik und künstlicher Intelligenz angereichert. Die Steuerung erfolgt aber immer noch aus ERP-Sicht, bildlich gesprochen ähnlich zu einem Leitstand, von dem aus alles gesteuert wird, zu dem aber auch alle wesentlichen Informationen fließen. Viele Ansätze sind in CIM enthalten, wie z. B. Just-in-time (JIT), Prozessorientierung und Team-Organisation. Aus der japanischen Automobilindustrie bekannt ist auch das Kanban-System, bei dem ein dezentraler, autonomer Ansatz zur Verbrauchssteuerung eingeführt wurde – und zwar „Abseits vom Leitstand“. Wenn Material an einem Standort oder in einer Kiste leer wird, wird eine Karte angebracht oder in eine Kanban-Nachrichtenbox gelegt und der Bedarf darauf notiert. Die Nachproduktion oder Beschaffung wurde so an die vorgelagerte Stelle direkt gemeldet um das Material zu holen (Hol- oder Pull-Prinzip).
Dieser Regelkreis funktionierte selbststeuernd und so perfekt, dass er in der amerikanischen und europäischen Automobilindustrie ebenfalls eingeführt wurde und mit anderen Maßnahmen aus Japan zur zweiten Revolution in der Automobilindustrie avancierte (Womack, Jones, Roos (1997)) und dem heutigen Verständnis von „Industrie 3.0“ entspricht:
| Gestern Industrie 1.0 und 2.0 | Heute Industrie 3.0 | Morgen Industrie 4.0 |
Super-system | Analog Kommunikation
| Internet und Intranet
| Internet der Dinge
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System | Neo-Taylorismus
| Lean Production
| Smart Factory
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Subsystem | Mechanisierung
| Automatisierung
| Virtualisierung
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Bild : Der Weg zur Smart Factory und Systematisierung der Industrie-Ansätze seit Erfindung der Dampfmaschine
Quelle: in Anlehnung an Kagermann, Wahlster und Helbig (2012), S. 12
Nun wird mit Industrie 4.0 die Selbststeuerung als ein wesentliches Element gesehen und mit Hilfe von moderner IT und Sensorik automatisiert und für unternehmensübergreifende Produktionsketten geöffnet. Um im Bild zu bleiben:
Das Kanban-Kärtchen wird nicht mehr manuell beschriftet und körperlich transportiert, sondern als Nachricht automatisch an den Bereitsteller geschickt – ebenfalls als Hol-Prinzip aber eben auch über Standorte hinweg auf Basis elektronischer Nachrichten via Internet. Die Feststellung, dass die Kiste bald leer ist, wird nun nicht manuell, sondern durch Sensoren festgestellt.
Weiterhin kann man sich von der physischen „Kiste“ als Vorratsbehälter und Karte als Nachrichtenträger lösen, denn das Teil oder Produkt, welches hergestellt wird, meldet seinen Bedarf - beispielsweise für zwei M5-Schrauben - selbst und teilt seine definierte Zielform einer Drehmaschine selbst mit. Nach dem automatisch angeforderten Drehen werden die zwei Schrauben und andere Teile entsprechend angeliefert und automatisch oder manuell montiert.
Bevor das Produkt nun erstellt wird und seine „Bedarfe“ und „Fertigungsschritte“ kennt, entsteht es in der virtuellen Realität, damit man es ansehen, drehen und Tests (z. B. Belastungstests, Integrationstests) aussetzen kann. Es bestehen damit im Vorfeld festgelegte Verwendungstests und seine Verarbeitungsschritte und Stückliste sind bekannt und können auf einem RFID-Etikett gespeichert werden. Das RFID-Etikett ist nun das moderne Kanban-Kärtchen.
Auf Basis dieser Informationen teilt es Transportmitteln und Maschinen mit, wo der Rohling oder die Teile zur Verarbeitung geleitet werden sollen und wie die Verarbeitung erfolgen soll. Wenn es fertig ist, wird das Ergebnis gemessen, bei Abweichungen erfolgt eine maschinelle oder manuelle Nachbearbeitung. Man spricht hier von „intelligenten Rohstoffen oder Produkten“. Die Produktionslogik wird geradezu umgekehrt, denn nicht die Maschine bestimmt die Verarbeitung, sondern das zu bearbeitende Werkstück teilt der Maschine mit, was zu tun ist.
Die Unternehmen, die sich mit Industrie 4.0 beschäftigen stellen rasch fest, dass der Organisations- und Logistikansätze bei Industrie 4.0 für kleine Losgrößen gut Lösungen bietet - richtig gute Lösungen lösen dabei auch die Informationslogistik, denn der schnellste und flexibelste Prozessansatz gelingt nicht ohne "mitlaufender" Informationslogistik.
Wie das funktioniert zeigt eine Anwendung von Elabo in der Industrie 4.0 Musterfabrik.